Entschärfung in Dülken

16.03.2018

Entschärfte Bombe vom 15. März 2018 in Dülken

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Am Ende ging es flott – gut 20 Minuten dauerte es, bis die Kollegen vom Kampfmittelbeseitigungsdienst den Zünder entfernt und damit die 250-Kilo-Bombe unschädlich gemacht hatten –

Foto: Stadt Viersen)

Nach der Bombenentschärfung in Dülken am Donnerstag haben wir viel Lob für die Aktion erhalten. Es gab aber auch erboste Nachfragen am Bürgertelefon und etliche Postings in den sozialen Netzwerken, die die Abläufe in Frage stellten. Insbesondere wurden „schlechte“ oder „fehlende“ Informationen beklagt. Wir möchten darum hier unsere Abläufe anhand des gestrigen Beispiels ein wenig darstellen – in der Hoffnung, dass dann einiges klarer und manches verständlicher wird.

Zunächst einmal: Jede Sondierung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KBD) wird sorgfältig vorbereitet. Dabei spielt es keine Rolle, dass diese Sondierungen in aller Regel ohne Ergebnis bleiben – oder maximal eine verbuddelte Zinkbadewanne ans Tageslicht kommt. Denn wenn etwas gefunden wird, muss alles schnell und geordnet gehen.

Am Donnerstag waren rund 400 Menschen aus der Stadtverwaltung, von Feuerwehr und Rettungsdienst, den Hilfsdiensten und der Polizei im Einsatz. Das zu koordinieren ist sowohl für den übergeordneten „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“ als auch für die einzelnen beteiligten Dienste mit Haupt- und vielen Ehrenamtlern nichts, was erst am Vormittag des Fundtages geplant werden kann. Die Vorbereitungen beginnen einige Wochen vor dem Start der Sondierung.

Dabei stützen wir uns natürlich auf Erfahrungen. Auf eigene der Verwaltung, der Feuerwehr, der Hilfsdienste und der Polizei ebenso wie auf Hinweise des KBD. Danach können wir sagen: Wenn die Sondierung beginnt, sind wir auf alle Möglichkeiten vorbereitet. Sollte etwas gefunden werden, kann der Einsatz innerhalb kürzester Zeit beginnen.

Oder anders gesagt: Wenn die erste Bohrung angesetzt wird, wissen wir, welche Sporthalle(n) als Notunterkunft genutzt werden könnten. Wir wissen, wo das für eine Notunterkunft erforderliche Material ist. Wir wissen, wer es wie dort in kürzester Zeit hin bringt und wir wissen, dass die dafür einzusetzenden Menschen bereit sind. Wir bauen aber noch keine Feldbetten dort auf. Denn die meisten Sondierungen enden ohne Bombenfund.

Viele Städte handhaben es darum so, dass sie über Sondierungen gar nicht informieren. Schließlich sind die Sondierungen selbst vollkommen ungefährlich. Da gibt es öffentliche Meldungen erst, wenn tatsächlich ein Blindgänger entdeckt wird. 

Wir machen das anders. Wir informieren die Menschen im unmittelbaren Umfeld der Sondierung per Wurfsendung in den Briefkasten. „Unmittelbares Umfeld“ bedeutet dabei: Wir wollen die Menschen erreichen, denen wahrscheinlich auffällt, wenn plötzlich ein Auto vom Kampfmittelbeseitigungsdienst und eine Baggertruppe in der Nachbarschaft aktiv sind. Alle anderen informieren wir über Pressemitteilungen, unsere Homepage www.viersen.de, unseren Facebook-Auftritt „Viersen Rathaus“ und über Twitter „@StadtViersen“. (Hinweis: Wer nicht jeden Tag auf unsere Seite schauen will, kann auf www.viersen.de einen Newsletter abonnieren. Dann kommt jeden Tag gegen 18 Uhr eine Übersicht der aktuellen Pressemitteilungen per E-Mail ins Haus. Natürlich kostenlos und werbefrei. Diesen Service bieten wir auch für Stellenausschreibungen.)

Ausführlich vorbereitet hatten wir für Donnerstag die Varianten „250-Kilogramm-Bombe“ und „500-Kilogramm-Bombe“ mit den in solchen Fällen üblichen Folgen. Das bedeutet unter anderem, dass die Trupps eingeteilt waren, die kurzfristig Informationen verteilen und die Evakuierung sicherstellen. Notunterkunft, Busangebote, Sperrposten waren vorbereitet. Schulen und Kindergärten im möglicherweise kritischen Bereich wurden informiert, ebenso Altenheime. So weit wie möglich hatten wir auch einen Überblick, wie viele Menschen in den möglicherweise betroffenen Bereichen „besonderen Transportbedarf“ haben. Also im Rollstuhl sitzen, bettlägerig sind oder aus anderen Gründen nicht aus eigener Kraft ihre Wohnungen und Häuser verlassen können.

Die Abläufe für größere Bomben waren ebenfalls geklärt, hätten allerdings weiteren Aufwand erfordert.

Nun muss man wissen, dass nach den Anforderungen des Landes ein entdeckter Blindgänger im Regelfall unverzüglich entschärft (oder im schlimmsten Fall gesprengt) werden muss. Also am Tag des Fundes. Ausnahmen sind nur in ganz besonderen Fällen möglich, die aber in Viersen praktisch nicht vorkommen können. Es gibt keine Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg, die es erforderlich machen könnten, dass mehrere zehntausend Viersenerinnen und Viersener ihre Wohnungen verlassen müssen.

Zwischen der Meldung des KBD, dass ein zu entschärfender Blindgänger gefunden wurde, und dem Start der Evakuierung liegt also nur ein kurzer Zeitraum. Wir können nicht den Menschen drei Tage im Voraus Bescheid geben, wenn wir selbst erst drei Stunden vor Beginn der Entschärfung wissen, was los ist.

Die Sondierung hatte am Montag begonnen. Bis einschließlich Mittwoch lautete die Meldung am frühen Abend jeweils: „Nichts gefunden, wir machen morgen weiter.“ Am Donnerstagvormittag erhielten wir dann zunächst vom Sondierungsteam die Meldung, dass eine Bombe gefunden wurde.

Zu diesem Zeitpunkt wissen wir über die Bombe eigentlich noch nichts. Dazu etwas sagen kann und darf nur der Mitarbeiter des KBD, der die Bombe auch entschärfen würde. Weil der aber, wie wir wissen, bei den meisten Sondierungen nicht gebraucht wird, erledigt der in dieser Zeit andere Aufgaben und muss erst anreisen.

Nur dieser Mitarbeiter des KBD kann feststellen, ob die Bombe überhaupt gefährlich ist – es könnte ja sein, dass der Zünder gar nicht mehr funktionsfähig ist. Nur er kann entscheiden, ob die Bombe entschärft oder gesprengt wird. Nur er kann beurteilen, welche Sprengkraft die Bombe hat. Nur er darf festlegen, in welchem Umkreis evakuiert werden muss und in welchem Umkreis besondere Vorsichtsmaßnahmen gelten. Und er gibt den genauen Zeitpunkt der Entschärfung vor.

Bis wir all das wissen, stehen wir zwar in den Startblöcken, können aber noch nicht loslaufen.  Die nachfolgende Maschinerie war jetzt in Alarmbereitschaft.

Nachdem der KBD die Bombe genauer untersucht hatte, wussten wir: 250-Kilogramm-Bombe, muss an der Fundstelle entschärft werden. Entschärfungszeit „am Nachmittag“. Der genaue Zeitplan wird noch festgelegt.

Daraufhin berief Bürgermeisterin Sabine Anemüller den „Stab für außergewöhnliche Ereignisse“ ein. So heißt der Krisenstab auf Ebene der Stadt. Dieser Stab koordiniert alle weiteren Aktionen rund um die eigentliche Entschärfung, hier laufen alle Informationen zusammen und hier wird alles entschieden. Aus Alarmbereitschaft wurde Alarmierung.

Üblicherweise bedeutet „250-Kilogramm-Bombe“, dass ein Umkreis von 250 Metern um die Fundstelle komplett geräumt wird. In 500 Metern Umkreis gelten besondere Vorsichtsmaßnahmen (keine Menschen im Freien, „luftschutzmäßiges Verhalten“, Empfehlung, den Bereich zu verlassen). Dafür gab es einen Einsatzplan, der vorsah, dass die Evakuierungstrupps zunächst im 250-Meter-Kreis Handzettel verteilen, die auf die kommende Evakuierung hinweisen.

Tatsächlich aber legte der KBD fest, dass ein Bereich von 300 Metern um den Fundort des Blindgängers geräumt werden soll. Das heißt, es mussten neue Pläne für die Evakuierung ausgearbeitet werden. Diese Pläne ergeben, welche Straßen und Häuser genau betroffen sind.

Für die Information der Betroffenen gab es nun zwei Möglichkeiten: Entweder wir informieren sofort die Menschen im 250-Meter-Kreis, damit wenigstens diese noch ein wenig Vorbereitungszeit haben. Oder wir warten, bis die Daten und Pläne für den 300-Meter-Kreis fertig sind – mit dem Risiko, dass es dann keine Vorwarnung mehr gibt, sondern für alle die Evakuierung unmittelbar beginnt. Wir haben uns dafür entschieden, zumindest die Menschen im 250-Meter-Umfeld sofort vorab zu informieren. Dass die Bewohnerinnen und Bewohner des Bereiches zwischen 250 und 300 Meter dann keinen zeitlichen Vorlauf mehr haben würden, mussten wir in Kauf nehmen.

Die verteilten Informationen enthielten keine genauen Zeitangaben. Der genaue Entschärfungszeitpunkt – 16 Uhr – wurde erst bestimmt, als die Trupps zur Verteilung der Handzettel bereits unterwegs waren.

Der weitere Ablauf war dann wieder so wie vorbereitet, ergänzt um die überarbeitete Planung für die jetzt 300 Meter Radius messende Evakuierungszone. Es gab Informationen für alle über die Medien, unsere Webseite, Facebook und Twitter. Das vom Kreis bereitgestellte Bürgerinformationstelefon, an dem neun Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Kreises die städtische Arbeit unterstützten, ging in Betrieb.

Die Sperrposten wurden eingerichtet, die Evakuierungstrupps begannen ihre zweite Runde mit der Aufforderung, jetzt den Sperrbereich zu verlassen, die Polizei informierte die Menschen in der Zone zwischen 300 und 500 Metern mit Lautsprecherdurchsagen. Die Shuttlebusse zur Sammelunterkunft in der Sporthalle Löh nahmen den Betrieb auf, die Hilfsdienste transportierten Menschen mit Hilfebedarf, die Räumung des nahe der Fundstelle gelegenenen Altenheims lief.

All das ging recht reibungslos. In einigen wenigen Fällen mussten Polizeibeamte die Evakuierungstrupps unterstützen. Da hatten sich Menschen zunächst geweigert, ihre Wohnungen zu verlassen. Deutliche Hinweise durch die Polizei sorgten hier für klare Verhältnisse. Auch die Räumung des Altenheims mit teilweise stark mobilitätseingeschränkten Menschen, mit bettlägerigen und kranken Bewohnerinnen und Bewohnern verlief geordnet.

Um 16.21 Uhr, also nur 21 Minuten nach der anvisierten Zeit, ging die Mitteilung an den KBD, dass die 300-Meter-Zone geräumt und der weitere Bereich bis 500 Meter gesichert ist. Weniger als eine halbe Stunde später hieß es dann: „Bombe entschärft“. Unmittelbar danach wurden die Sperren aufgehoben. Die Seniorinnen und Senioren aus dem Altenheim wurden zurückgebracht. Die Notunterkunft schloß, nachdem alle Gäste im Bus zurück nach Dülken saßen. Die ungefährliche Bombe wurde abtransportiert. Kurz vor 18 Uhr konnte die Bürgermeisterin die Arbeit des Stabes für beendet erklären. Was noch abzuarbeiten war, wurde noch abgearbeitet, danach war für alle Beteiligten Feierabend.